Strafe...
So auch dieses Mal geschehen. Zähne knirschend bin ich doch heute auf die Waage gestiegen und hatte schon vorher ein sehr ungutes Gefühl dabei. Und es hat sich auch bestätigt. 1,5 Kilo mehr. In Gedanken vor mich hin fluchend, wanke ich noch im Halbschlaf in die Küche. Kaffee machen.
Ich will die Dose mit dem Kaffeepulver oben aus dem Schrank holen und verziehe das Gesicht. Oh, doch. Kanu fahren macht doch Muskelkater. Vor allem im Triceps. Kaffee kriege ich trotzdem gekocht.
Bei der ersten Zigarette des Tages lass ich den vergangenen Tag Revue passieren.
Im strahlenden Sonnenschein werden wir kurz eingewiesen wie wir richtig paddeln und was wir beachten müssen. Glechzeitig kriegen wir dicke Schwimmwesten an, die alles einschnüren. Fühle mich wie so eine Boje im Korsett. Aber ich muss trotzdem lachen, als ich mir vorstellen wie ich im natürlich braunen Wasser auf und ab hopse. Beim Einstieg ins Kanu dachte ich, diese Szene wird sich gleich live abspielen. Irgendwie schaffte ich es dann doch, mich auf dem schmalen Brett ganz vorne hinzusetzen. Ruder in die Hand und gestartet.
Zuerst haben wir unfreiwillige Ruder-Fechten betrieben, bis wir einen gemeinsamen Rhythmus gefunden haben und recht schnell voran kamen. Mit dem Lenken hatten wir es nicht so und fuhren meist großzügig Zick-Zack. Lachend durchpflügten wir Seerosenfelder in Ufernähe, kollidierten mit herab hängenden Ästen und hielten die Luft an, wenn wir unter einer der vielen Brücken durch ruderten. Darunter war es kühl, was diverse Fliegen, Mücken und andere Insekten genauso sahen. Riesige Schwärme stiegen auf und machten den kühlen Schatten nur noch schwärzer. Also legten wir uns in die Riemen und mit angehaltenem Atem schnell drunter durch.
Auf verschwitzter Haut fanden die Viecher es ebenso gemütlich. Vor allem in meinem Ausschnitt. Wir haben trotz des Ekelfaktors gelacht. Mal paddelten wir in gemütlichem Tempo und mal mit ordentlich Speed. Unser Steuermann hatte arge Schwierigkeiten den Kurs zu halten. Hin und wieder regnete es Flusswasser, weil irgendjemand von unser sein Paddel nicht unter Kontrolle hatte oder nicht haben wollte.
Eigentlich sollte es eine richtige Anlegestelle auf unserer Strecke geben, doch die war nicht in Sicht. Also suchten wir uns eine Stelle am Ufer, die offenbar schon oft benutzt wurde, wovon ein ausgetretener steiler Pfad zeugte. Wackelig ging es an Land und wir machten Trink- und Esspause. Ich hab mehr getrunken, als alles andere. Hatte auch für mich selber nicht sonderlich viel eingepackt. Meine Freundin wollte mir ständig Kuchen oder Kekse andrehen, die ich aber dankend ablehnte. Knabberte da lieber meinen Apfel, weil ich noch statt vom Frühstück war.
Wir hatten nur noch begrenzt Zeit und konnten nicht so ausgiebig in der Sonne liegen, wie wir wollten.
Also die Westen wieder an, die mittlerweile schrecklich warm waren, und ins Boot. Auf dem Rückweg mussten wir uns ganz schön beeilen. Die Kinder haben also diesmal nicht mitgerudert und kicherten nur vor sich hin, weil sie Prinzessinnen-like durch die Gegend geschippert wurden. Die Erwachsenen gaben Gas und es war ein geiles Gefühl, so schnell übers Wasser zu gleiten, obwohl uns der Schweiß über den Rücken im Schwimmwesten-Korsett in Strömen lief. Bereits da spürte ich meine Arme ganz genau.
Wieder am Startpunkt angekommen, machten wir Raucher- und Trinkpause. Kurz darauf gings wieder nach Hause. Dort hatten wir alle Rolläden herunter gelassen, damit es nicht so warm wurde. Das gab mir und meiner Kleinen die Gelegenheit, die dreckig-nassen Klamotten schon im Flur los zu werden und zu duschen. Flusswasser riecht überhaupt nicht lecker und fühlt sich widerlich auf der Haut an.
Frisch geduscht war der Rest des Tages eher entspannt und gemütlich. Dementsprechend hab ich auch nicht selbst gekocht, sonder ließ die Wahl auf chinesisches Essen vom Bringdienst fallen. Dort machen sie viel mit Gemüse und Sprossen. Gab dann auch Hähnchen auf Gemüsebett und Reis für mich. Abends saßen wir nur noch auf dem Sofa im Dunkeln, um der Resthitze des Tages zu entgehen.
Mir die müden Augen gehe ich wieder rein und trinke meine üblichen zwei Tassen Kaffee am Morgen, um wirklich richtig wach zu werden. Im Bad überlege ich, was wir heute anstellen können. Ist ja Montag. Da ist noch Markt im Nachbardorf. Etwa 30 Minuten mit dem Fahrrad entfernt. Klingt gut. Karussell fahren, gemütlich zwischen den Marktständen durch schlendern und mit Fahrrad wieder zurück.
Nach dem üblichen Frühstück verwerfen wir den Plan wieder. Zu platt, um durch die Wärme zu radeln und in der prallen Sonne herum zu laufen. Stattdessen gehts ins Freibad. Wobei ich mich an manchen Tagen, so wie heute auch, dazu durchringen muss. Ich atme tief durch, denke noch ein paar mehr Sekunden nach und sage letztendlich doch ja. Kinderaugen mit glänzender Vorfreude kann man nicht widerstehen.
Ich suche mir trotz allem einen Bikini aus mit einer Hose, die unliebsame Stellen am Bauch unsichtbar macht. Begeistert bin ich immer noch nicht. Allerdings packe ich meine Tasche, ohne wirklich nachzudenken. Schließlich ist es eine mehr oder weniger sportliche Betätigung und allemal besser, als zuhause herum zu hocken.
Kurz bevor wir los wollen, packt mich die Müdigkeit ein wenig. Am liebsten hinlegen und schlafen. Geht ja nicht, sonst enttäusche ich meine Kleine. Also raffe ich mich auf. Im Freibad ist es fast schon beängstigend voll. So voll, dass ich fast wieder gegangen wäre. Aber auch nur fast. Ab einer gewissen Anzahl von Menschen im Wasser, finde ich es beengend. Viele müssen es da nicht sein. Es reicht schon, wenn ich nach ein paar Metern auf eine Horde schnatternder Rentner oder Halbstarker stoße.
Heute geht es. Das Wasser ist fast schon zu warm. Macht nichts. Im Wasser schwitzt man auch, wen man sich viel bewegt. Oder man friert bei zu wenig Bewegung und der Körper verbraucht Energie um die Körpertemperatur zu halten. Letzteres war nicht der Fall. Anfangs schwamm ich ein wenig lustlos herum. Später, nach einer ordentlichen Dosis Vitamin D per Sonne, hob sich meine Laune wieder und ich tobte mit meiner Kleinen durchs Nichtschwimmerbecken. Ich warf sie durch die Gegend, lachte und ließ so manchen Unsinn mit mir machen. Schmerzen in den Armen waren wie weggeblasen und am Schluss machte ich mir klar, dass ich jedes Mal 30 Kilo Lebendgewicht hoch über den Kopf stemmte, wenn ich meine Kleine durch die Gegend warf.
Abends wieder zu Hause, hatte gar nicht gemerkt, wie die Zeit vergangen war. Und so langsam knurrte mein Magen. Beim auspacken der Tasche wurde mir sogar kurz schwindelig, was sich diesmal überhaupt nicht gut anfühlte. Nicht so wie sonst, wenn ich nichts gegessen habe. Es geht einfach nicht mehr ohne Essen. Das muss ich mir jedes Mal klar machen. Hunger ist einfach nicht mehr gut und schadet mir mehr.
Es gab Hähnchen und Gemüse mit Nudeln. Also nichts kompliziertes. Satt hat es jedenfalls gemacht.
Hatte ich gedacht...
Mein Jemand wollte dann später noch unbedingt diese holländischen Chips probieren. Da konnte ich nicht widerstehen, ließ in Gedanken seufzend den Kopf hängen und griff zu. Wieder wurde das Denken ausgeschaltet.
Zu zweit haben wir dann nicht ganz zwei Tüten Chips geleert. Als mein Jemand dann ins Bett ging, wollte ich nur die Reste schamgebeugten Hauptes wegräumen. Hab ich auch. Oder genauer gesagt, ich habe getauscht. Chips gegen Weingummis. Mit Ingwer- und Zitronen-Geschmack. Trotz der Schärfe vom Ingwer, hab ich die ganze Tüte aufgefressen.
Der Nachgeschmack nach so viel sauer und scharf war furchtbar. Für den Bruchteil einer Sekunde meldete sich das schlechte Gewissen. Die Angst ist bis jetzt geblieben.
Jetzt sitze ich hier. Mein Herz schlägt mir bis zum Hals. Vielleicht wegen der Angst. Oder doch wegen diesem Energie-Überschuss in Form von zu viel Zucker?
Wahrscheinlich beides.
Wenigstens bin ich jetzt trotz schnellem Herzschlag so müde, dass ich sofort einschlafen werde, wenn ich gleich ins Bett gehe. Dann weine ich nicht stumm, ziehe die Knie nicht bis hoch ans Kinn, beiße mich nicht, bis Blut fließt oder sonst irgendwelche Dummheiten.
In diesem Sinne wünsche ich allen, die es lesen, eine gute Nacht. Schlaft traumlos oder träumt nur von den Dingen, die euch zum lächeln bringen.
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Hey... Mensch ich muss dir erstmal sagen wie angenehm dein Schreibstil ist. Es war richtig schön bei dir zu lesen.
AntwortenLöschenBootfahren ist so toll, wieviel wart ihr denn? Meine Eltern haben ein Kanu und ich hab mit ner Freundin auch schon geplant dass wir bald auch mal wieder in den Fluss stechen (:
Wirklich alle alle Daumen hoch dass du dich ins Schwimmbad getraut hast. Du bist eine klasse Mama, das merkt man total! Du stellst sie über dich, -> das ist nicht die eigentliche Kunst, aber du stellst sie über deine Ängste, und das ist wirklich ein "Hut ab" wert.
Ganz liebe Grüße,
h.
Ich glaub, aus dem Danke-sagen komm ich grad nicht raus. Könnte man ja glatt rot werden. Aber lass den Hut lieber auf...
LöschenWir waren drei Erwachsene und zwei Kinder im 4-Mann-Kanu. Und ich kann immer nur wiederholen, dass ich sowas immer wieder gerne machen würde. Auch wenns fluss-schmodderig war. ^^