Lachen...

... war heute wohl ein Fremdwort für mich. So wirklich ehrlich gelächelt habe ich nicht. Nur dieses künstliche Gegrinse, wenn man Small Talk betreibt. Meine Laune hat sich den ganzen Tag über nicht ein Stück geändert.
Allgemeines Seelentief wie so oft. Das passiert ja eigentlich schon wöchentlich. Ich trete auf der Stelle. Gegessen habe ich viel zu viel, wie ich finde. Obwohl ich rein rechnerisch im Normalbereich sitze. Also nicht zu viel und auch nicht zu wenig.
Sport war heute so lala. Wenn ich mich zurück erinnere, dass ich vor ein paar mehr Monaten wesentlich mehr Gewichte heben konnte, wesentlich mehr Crunches machen konnte und heute versage ich schon nach der Hälfte und krümme mich auf der Matte.
Toll, schön. Meine Kondition hat sich um einiges gebessert. Problem ist nur: Das sieht man nicht. Man sieht nur eine fette Kuh, die auf dem Laufband wie eine Bescheuerte rennt und rennt und rennt, bis ihr der Schweiß in den fetten Nacken rinnt. Toller Anblick. Bin froh, dass immer nur so wenige da sind, wenn ich im Fitnessstudio bin. Eine gute Figur gebe ich da ganz und gar nicht ab.

Unter der Dusche bin ich allein. Ich schließe die Auge für einen kurzen Augenblick und fast schon kochendes Wasser läuft an meinem Körper hinunter. Über Fett, das an den Armen schlackert, unten am Bauch direkt über der Narbe vom Kaiserschnitt, an meinem Hintern und den hässlichen Beinen. Alles hässlich! Ich kann es spüren. Da brauche ich nicht hinsehen. Ich kneife die Augen zusammen und wasche mich schnell. Schnell eincremen und meine schwarze Hose, das T-Shirt mit dem Voodoo-Zauber-Rupf-Teddy angezogen. Vans an die Füße, die schon Löcher und kein Profil mehr haben.
Ich schiebe mir meinen Piercingring in der Lippe richtig hin, nachdem ich mich geschminkt habe. Haare irgendwie in Form gebracht. Die müssten auch mal wieder geschwärzt werden. Oder doch dunkelbraun? In jenen Momenten sehe ich im Spiegel nicht das Gesamtbild, was ich nicht ertragen kann. Ich schaue nur auf eine Haarsträhne, die nicht richtig liegt, das Mascara, was daneben ging, weil meine Finger zittern. Ich fluche. Scheiße. Alles scheiße. Ich lasse den Schlüssel von Schließfach fallen, davor schon meine Schminktasche runter geschmissen.
Alles lasse ich falle. Nur mich nicht.
Ich geben den Schlüssel ab, zünde mir draußen eine Zigarette an. Natürlich rutscht mir auch der Fahrradschlüssel aus den Fingern. Ich denke noch, dass ich meine Kaffeetasse wohl besser mit beiden Hände umklammere. Scherben brauche ich nicht heute.
Zuhause breitet sich der leichte Hauch von Erschöpfung aus. Ich rauche noch eine. Zwei Tasse Kaffee schnell hintereinander getrunken. Den MP3-Player habe ich immer noch im Ohr.
Von The Gazette kommt ein krasser Cut und die Melodie vom Salatio Mortis' "Prometheus" ertönt. Ich atme auf. Tanze ein bisschen durch die Küche, während ich mit in Falten gezogener Stirn "Ich bringe euch Feuer..." singe. Dabei lache ich nicht, obwohl ich mit meinem schlechten Gesang ganz sicher, die Nachbarschaft amüsiere.
Die Uhr sagt mir, dass gleich Mittagszeit ist. Da wir erst Abends  alle zusammen was Warmes essen, gibt "kalte Küche". Ich schneide mir Salatgurke, mache mir den verschwindend geringen Rest vom Salat fertig mit klarem Dressing aus der Flasche. Dazu Reiswaffel mit magerem Schinken und Harzer Käse. Ein paar Minuten habe ich  noch und sehe mir an, was ich da gleich essen werden. Es gab eine Zeit, da waren das Dinge, die ich vor nicht allzu langer Zeit über den Tag verteilt gegessen habe und ich war nach jeder Mahlzeit pappsatt.
Und jetzt esse ich das alles auf einmal.
Danach ab zur Arbeit, doch wollte da auch keine Stimmung aufkommen. Alles zum kotzen. Künstliche Lächeln und nur nicken.
Vorhin gabs dann Fisch überbracken. Wunschessen von meinem Jemand. Ich schiebe den Käse dezent an den Rand, von einer Seite des Tellers zur anderen. Kurz darauf esse ich doch alles. Ich bin so richtig unbequem satt. Trotzdem rede ich mir ein, es war nur Fisch und kein fetttriefendes Fleisch in Öl schwimmend.
Nach dem Essen überkommt mich plötzlich dieser unglaubliche Durst und ich trinke, trinke, trinke... 1,5 Liter stilles Wasser innerhalb sehr kurzer Zeit. Danach fühl ich mich immer noch wie in der Wüste gestrandet. Die zweite Flasche steht halb leer neben mir. Schätzungsweise 4 Liter müsste ich schon intus habe. Bei der Zahl wundert es mich schon. Nun gut. Ist ja Wasser. Also was solls.
Vielleicht bewahrt es mich davor, den totalen Unsinn anzustellen, der schon seit vorhin in meinem Kopf Form annimmt. Ich schaue gerade zum Schrank mit den Süßigkeiten. Nein! Weiterschreiber, du dumme Versagerin! Beweise, dass du auch was anderes machen kannst, als sinnlos alles in dich hineinzustopfen. Zeig es! Zeig es! Auf der Waage! Im Fitnessstudio, wenn die Schenkel bald nicht mehr beim Laufen schwabbeln. In dem kurzen Kleid mit den Lochnieten, dass nächsten Monat beim MPS getragen werden soll! Zeig es! Fang an wieder ehrlich zu lachen!!!! Vor allem dein Spiegel-Gesamtbild sollst du wieder anlächeln.

Ich will stolz auf mich sein!!!
Und das nicht nur für ein paar wenige Tage, die ich ohne Fressen klar komme. Sondern dann, wenn ich diese blöden 8-9 Kilo endgültig und ohne Wiederkehr los geworden bin.



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